Freitag, 22. September 2017

QE oder wie kann man den Demagogen noch begegnen?

Im Mittel stagniert das Einkommen der Lohnempfänger seit vielen Jahren oder ist in einigen entwickelten Industrieländern real sogar rückläufig.  Viele haben Angst um die Zukunft und wenden sich Demagogen zu, die einfache Lösungen anbieten. Sie wissen, etwas stimmt nicht, nur was? Hilft hier QE?

Das Platzen der Kreditblase vor 10 Jahren hat heftige Spuren bei den Privathaushalten hinterlassen. Durch den Fall der Immobilienpreise sind viele Haushalte in den USA, England und den Mittelmeerländern unter Wasser: die für den Kauf von Immobilien aufgenommenen  Schulden übersteigen das private Vermögen deutlich, was dazu führt, dass diese Haushalte auf Konsum verzichten und mehr sparen. Die Angst vor der ungenügenden Rente kommt für viele noch hinzu: Viele Rentenversicherungen sind durch die geringeren Zinseinnahmen unter deckt - die Zusagen sind nicht mehr durch die Zinseinnahmen gedeckt. Der Wirtschaft fehlt damit die Nachfrage. 

Die Politik der Absenkung der Zinsen auf nahe null und darunter durch die wichtigsten Notenbanken führte in einer solchen Lage dazu, dass fallende Zinseinnahmen (die meisten Sparer investieren nur in festverzinsliche Wertpapiere und nicht in Aktien) die Sparquote sogar noch erhöhen. Die Kreditnachfrage wird zwar durch die Niedrigzinsen angekurbelt, aber im falschen Bereich: 80 % aller Neukredite werden – steuerlich sogar noch begünstigt - für Immobilienkredite aufgewendet, was weltweit zu steigenden Immobilienpreisen und zum Entstehen einer neuen Kreditblase führt. Hinzu kommt die zunehmende Konzentration der Vermögen: nur die, die sich das Spekulieren leisten können, werden reicher. Das eigentliche Ziel der niedrigen Zinsen, Investitionen in Produktivvermögen zu fördern, findet nicht statt, da schlicht die Nachfrage fehlt. Pro Jahr steigt zwar das Kreditvolumen um rund 10 %, davon fließen jedoch nur 2 % in reales Wachstum. Immer mehr Kredite erkaufen immer weniger Realwachstum. Unternehmen nutzen die niedrigen Zinsen, um mit neu aufgenommenen Krediten eigene Aktien zurückzukaufen, statt zu investieren. Kein Wunder, dass die wichtigsten Aktienbörsen fast täglich neue Höchstniveaus erklimmen.

Bereits in den letzten 10 Jahren vor dem Platzen der Immobilienblase in 2009 stagnierten die Realeinkommen in den USA. Mehr Kredite an Privathaushalte überdeckten die fehlende Kaufkraft. Das Wirtschaftswachstum wurde mit einer steigenden Verschuldung der Privathaushalte erkauft.  Seit dem Beginn der Krise 2009 hat der Staat durch höhere Ausgaben einen Teil der fehlenden privaten Nachfrage kompensiert und damit einen kleinen Rückbau der privaten Schulden ermöglicht. Im Saldo sind die Gesamtschulden in allen wichtigen Industrieländern jedoch gestiegen. Wichtige Ausnahme ist Deutschland, das mit einer Exportquote von 7 % der Gesamtleistung ausländische Nachfrage stiehlt und damit die Verschuldung bei den Empfängern der Exporte (früher die Länder der Europäischen Union jetzt in erster Linie USA) zusätzlich erhöht.  Die Deutschen leisten Konsumverzicht und exportieren die Ersparnisse. Und erwerben damit zumeist wertlose ausländische Schuldtitel. Die Deutschen fühlen sich moralisch als die Sieger: aber ohne den willigen Gläubiger gibt es eben auch keinen Schuldner.

Unsere Haushaltshilfe bekommt von uns zur Zeit EUR 21 je Stunde inklusive des Arbeitgeberanteils. Davon verbleiben ihr nach allen Abzügen des Staates und der Sozialversicherungsträger nur EUR 11 je Stunde – ein Schwund von knapp 50 %. Wir dagegen zahlen auf die Millionenerlöse aus unseren Unternehmensverkäufen in der Regel nur 1,5 % Steuern. Da wir - mangels entsprechender Vorhaben - nur einen Bruchteil davon in produktive Investitionen stecken können, beträgt unsere Sparquote fast 100 %.  Kein Wunder, dass es zu wenig private Nachfrage gibt! Schuldzinsen – egal ob für Unternehmens- oder Immobilienkäufe - lassen sich überdies komplett von der Steuer absetzen. Immobilienerlöse können steuerfrei vereinnahmt werden, wenn die Haltedauer zumindest 10 Jahre beträgt. Banken verleihen hierfür gern Geld,   schließlich versprechen die steigenden Immobilienpreise eine gute Sicherheit. Kapitalanleger werden immer reicher, während die Bevölkerungsmehrheit keinen Kaufkraftzugewinn hat! Hinzu kommt, dass der globale Lohnwettbewerb und die zunehmenden Effizienzgewinne durch den Einsatz von mehr künstlicher Intelligenz ein Wachsen der Löhne in den nächsten Jahren wohl ausschließen wird. 

Wie könnte ein Ausweg aus dem Schlamassel aussehen?

Zur Erhöhung der Kaufkraft und um die Arbeit wieder lohnender zu machen, sind Negativsteuern für Niedriglohnempfänger nötig, d.h. sie sollten vom Staat Geld dazu bekommen, statt für das Arbeiten bestraft zu werden. Steuern auf jede Art von Spekulationsgewinnen, höhere Transaktionssteuern auf Immobilienkäufe und das Streichen der Absetzbarkeit von Schuldzinsen könnten dies finanzieren. Statt sich in Deutschland kaputtzusparen (um Ländern wie Griechenland ein Beispiel zu geben), sollte Deutschland die Überschüsse in den öffentlichen Kassen zu Infrastrukturinvestitionen nutzen. Deutschland lebt seit Jahren von der Substanz, die Neuinvestitionen liegen unter den Abschreibungen. Die Euromitgliedschaft muss entweder zu einer Solidargemeinschaft ausgebaut werden (z.B. durch gemeinschaftlich verbürgte Eurobonds), um den ärmeren Ländern zu helfen, oder die Bundesrepublik sollte aus dem Euroraum austreten, um den Deutschen die Kaufkraft durch eine steigende DM zurückzugeben und mit der steigenden Nachfrage nach ausländischen Gütern unsere Handelsbilanzüberschüsse abzubauen.

Auch stellt sich die Frage, ob das Privileg des Gelddruckens durch die freie Kreditvergabe bei den Banken bleiben sollte. Schließlich wird in den Boomjahren in der Regel zu viel Geld geschaffen, während in der Krise zu wenig Kredit zur Verfügung gestellt wird. Verstärkt werden die Zyklen der Wirtschaft noch durch innovative Kreditinstrumente und zunehmende Off-Balance Sheet Finanzierungen. Als ein Beispiel sei angeführt, dass die größte Deutsche Bank vor der Krise ihre Bilanz so aufgebläht hatte, dass das Eigenkapital trotz aller mittlerweile erfolgten Kapitalmaßnahmen nur bei rund 4 % liegt. Angemessen wären aufgrund der Bedeutung für das Wohl aller eher die historisch üblichen 20 %. Banken sollte man aufgrund der Sonderstellung eher mit Stromversorgern vergleichen und ähnlich reglementieren. Der Staat kann durch Infrastrukturmaßnahmen, die durch neu geschaffenes Gelde bezahlt werden, in die Bresche springen. Allerdings auch hier nur unter strikten Vorgaben und Kontrollen!


Einfach sind die Lösungen alle nicht, ein Umdenken muss jedoch erfolgen, wenn man das Spiel nicht Demagogen überlassen will, die mit Schlagworten (Austritt aus der Europäischen Gemeinschaft, Rausschmiss von Ausländern und dergleichen mehr)  hausieren gehen. Wer mehr hierzu lesen möchte, dem sei das Buch „Between Debt and the Devil“ von Adair Turner, dem ehemaligen Chef der englischen Bankenaufsicht, empfohlen.

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